Was Change Management mit Wandertouren gemeinsam hat

Veröffentlicht am 20. 9. 2022 von Vanessa Giese

In meiner Freizeit wandere ich gerne. Beruflich begleite ich Wandel. Wandern und Wandel haben - neben der ersten Silbe - Einiges gemeinsam: Beides braucht einen sensiblen Blick auf Geschwindigkeit.

Ein Gefühl für Energie und Geschwindigkeit

Wanderungen, speziell Bergwanderungen, bringen mit sich, dass man erstmal hinauf muss, bevor man die Aussicht genießen kann. Dieses Hinauflaufen ist eine anstrengende Sache; ich kenne das aus leidvoller Erfahrung. Ist der Weg breit und eben, geht es noch. Wenn das Gelände aber felsig wird, wenn loses Geröll den Untergrund bildet, wenn der Tritt unregelmäßig ist, in den Höhenlagen noch Schnee liegt oder der Weg nicht eindeutig markiert ist, wird es zäh.

Aber dann! Wenn sich plötzlich die Weite der Landschaft vor mir erstreckt, wenn ich den Grat erreicht habe, auf dem ich zum nächsten Gipfel laufen kann, wenn ich zudem eine Brotzeit hatte und wieder bei Kräften bin, ändert sich meine Gemütslage.

Bei einem Wandel in Unternehmen ist es ähnlich: Bevor wir Ziele erreichen und Gipfel erklimmen, müssen wir Anstrengungen investieren. Wir müssen uns bergauf quälen. Wir benötigen zwischendurch Pausen, um uns zu orientieren - und um Energie für die nächsten Schritte zu sammeln.

Kennt das Unternehmen Wandel oder muss es erst trainieren?

Wenn ich Wandel in Unternehmen steuere oder in Transformationen berate, geht es viel um das Gefühl für diese Energie - und für die Geschwindigkeit, mit der die Leute durch die Veränderung gehen. Wie gut trainiert geht das Unternehmen in sein Vorhaben? Ist es Wanderungen, ist es Wandel gewohnt? Oder müssen sich die Menschen akklimatisieren? Müssen sie Veränderung zunächst trainieren, auf kurzen, gut zu schaffenden Etappen? Wer geht voran? Wann ist es an der Zeit, eine Pause zu einzulegen und zu genießen, was wir schon erreicht haben? Wann haben die Menschen genug Energie für den nächsten Teil des Weges?

Geschwindigkeit braucht Energie

Ich kann immer nur dann Geschwindigkeit aufnehmen, wenn genug Energie da ist. Dazu muss man gut beobachten und achtsam sein für Schlüsselsituationen. Auch hier gibt es Parallelen zum Wandern: Die Gruppe macht noch Pause, aber ein Wanderer läuft schon umher, hält nach dem Weg Ausschau. Dann weiß ich: Da ist wieder Energie. Oder er sagt, die Touren seien ihm zu langweilig, er würde demnächst gerne etwas anderes ausprobieren. Dann weiß ich: Er traut sich zu, Anstrengenderes durchzustehen.

Wie erkennt man Energie?

In Unternehmen achte ich auf Unmutsäußerungen - und finde heraus, ob sie von dem Willen begleitet sind, zur Veränderung beizutragen. Entgegen landläufiger Managementratgeber, die propagieren, der Mensch wolle sich per Werkseinstellung nicht verändern, ist es in 90 Prozent der Fälle so, dass Menschen sehr wohl dazu bereit sind - wenn sie erstmal den Mut gefasst haben und es Wege gibt, auf denen das geht.

Ich achte auch auf diejenigen, die aufstehen und nach dem Weg suchen; die sich inhaltlich mit dem Wandel und den neuen Zielen auseinandersetzen. Dazu gehört auch kritisches Hinterfragen. Wer hinterfragt, beschäftigt sich mit der Sache!

Ich schaue auch: Wo sind Ideen? Meist sind sie unausgereift oder betrachten nur eine Perspektive, besonders an Schnittstellen, zum Beispiel zwischen Abteilungen. Unternehmen machen oft den Fehler, diesen Ideen keine Beachtung zu schenken oder nur das Fingerpointing zu sehen. Dabei geben gerade diese Schnittstellenthemen den Anstoß für einen gesunden Wandel aus dem Tagesgeschäft heraus.

Viel Energie steckt auch in "Man müsste mal"-Äußerungen. Zugegeben, hier braucht es noch ein herzhaftes "Los, dann geh'ma!" - dazu ein Ziel, das gut erreichbar ist, und ein motivierender Schubser. Erfahrungsgemäß lassen sich aber auch Schwätzer zur Aktivität bewegen, wenn sie erstmal merken, dass mit jedem Etappensieg ihr Ansehen steigt.

Energie kann man nicht erzwingen. Ich gehe immer nur dorthin, wo bereits welche vorhanden ist. Von dort aus erzeuge ich Sog für alle, die noch träge sind.

Pausen sind wichtig für den Wandel

Schwindet die Energie, merke ich das an fehlender Initiative. Die Luft ist raus. Meist nimmt gleichzeitig das Tagesgeschäft überhand - es herrscht Überlast bei gleichzeitiger Untermotivation. Dann nehme ich für eine kleine Weile Tempo raus. Es ist okay, eine Pause zu machen. Wichtig ist nur, nicht rückwärts zu gehen und in dieser Zeit in alte Muster zu verfallen. Dann kann man einfach weitermarschieren, wenn wieder Energie da ist.

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