Remote-Arbeit: Aus dem Homeoffice führen und informelle Kommunikation anstoßen

Veröffentlicht am 9. 6. 2020 von Vanessa Giese

„Wo ich dich grad sehe …“ - arbeitet eine Firma aus dem Homeoffice, entfallen viele informelle Gesprächssituationen. Man muss sie künstlich herstellen. (Foto: pixabay/louisehoffmann83)

Dies ist Teil drei meiner Blog-Serie zu Homeoffice und mobilen Arbeiten. Diesmal geht es um die informelle Kommunikation und um Führung remote.

Ein Unternehmen besteht immer aus zwei Welten: der offiziellen und der inoffiziellen Welt.

Die offizielle Welt ist das, was das Organigramm abbildet und in formalen Dokumenten steht. Es gibt offizielle Bühnen: Gremien und Versammlungen, Abteilungssitzungen, Meetings, Jour fixes - alle Termine, die zur Compliance gehören oder die anderweitig offiziellen Charakter haben.

Die zweite Welt ist der kleine Dienstweg. Der kleine Dienstweg macht eine Organisation erst funktionsfähig. Dazu gehört die informelle Kommunikation, der Austausch jenseits der Bühnen, ein zufälliges Aufschnappen von Gesprächen, ein "Warte, ich rufe mal X an, der weiß das" - ein Miteinander, das die Bürokratie auf sinnvolle Art und Weise ignoriert.

Informelle Kommunikation ist ebenso wichtig wie der offizielle Austausch: Sie dient dem Aufbau von Vertrauen, sie schafft Netzwerke und unterstützt den Austausch von Wissen und Erfahrungen.

Der kleine Dienstweg braucht Hilfe

Arbeitet eine Firma nun hauptsächlich aus dem Homeoffice, leidet der informelle Teil. Das zufällige Treffen, der gemeinsame Kantinengang, das Miteinander in der Teeküche, das "Wo ich dich grad sehe ...", der kurze Austausch, das mäandernde Gespräch, das beiläufige Erwähnen eines Sachverhalts und das Aufhorchen des Anderen - wenn man Kolleginnen und Kollegen für jeden Austausch zielgerichtet anrufen muss, gibt es keine Gespräche ohne Anlass. Diese sind aber wichtig, um implizites Wissen auszutauschen, gemeinsam zu wachsen und eine Beziehungsebene zu pflegen, die wichtig ist, um gesund zu streiten und gemeinsam Entscheidungen zu treffen.

Informellen Austausch initiieren

Arbeiten Sie weitgehend aus dem Homeoffice, thematisieren Sie im Team, dass auch informeller Austausch für das Arbeiten wichtig ist. 

Ideen, um in Kontakt zu bleiben:

  1. Vereinbaren sie regelmäßige lockere Austausche: gemeinsam per Viko frühstücken, ein Remote-Mittagessen, ein Kaffeeklatsch - überlegen Sie, was zu Ihnen passt.
  2. Wenn Sie ein unternehmensinternes Chatprogramm haben, chatten Sie Kolleg*innen einfach mal an. Fragen Sie nach dem Befinden, wie es bei ihnen läuft und erzählen Sie, was Sie selbst gerade beschäftigt. So ein Gespräch kann sich auch mal länger ziehen, auch über Tage. Jeder antwortet, wann es ihm gerade passt.
  3. Vereinbaren Sie explizit lockere Austausch-Termine. "Ich wollte mal hören, wie es Dir geht ..." - und quatschen Sie eine halbe Stunde. Mal gibt es mehr, mal gibt es weniger zu sagen.

Im eigenen Team funktioniert das meist ganz gut. Aber fachbereichs-, abteilungs- oder dezernatsübergreifend fehlt oft der Austausch. Initiieren Sie virtuelle 1:1- Treffen oder Treffen in kleinen Teams. Warum nicht mal gemeinsam zu Viert die Mittagspause verbringen, wenn man sich auch sonst in der Kantine träfe?

Alle sind gleich weit voneinander entfernt

Die Remote-Situation bringt noch etwas mit sich: Alle Menschen sind nun gleich weit voneinander entfernt. Nämlich einen Anruf, eine Mail, eine Chatnachricht.

Das ist anders als im Offlineleben. Dort gibt es offizielle Cluster: Die Leute aus dem blauen Kästchen sitzen gemeinsam auf einem Flur, ebenso die Leute aus dem grünen und dem gelben Kästchen. Die von "ganz oben" sind meist räumlich abgetrennt.

Spätestens, wenn sich die Firma über verschiedene Stockwerke oder Standorte verteilt, haben Sie auch unterschiedliche Beziehungsqualitäten.

Je öfter wir Menschen sehen, desto intensiver ist unsere Beziehung zu ihnen. Das geht in beide Richtungen: Diejenigen, die wir mehr mögen, sehen wir öfter - weil wir ihre Nähe suchen. Aber auch: Diejenigen, die wir öfter sehen, stehen uns näher - unbewusst, durch ihre reine Präsenz.

Wenn nun alle von daheim arbeiten, gehen die physischen Distanzen verloren. Darin liegt eine große Chance. Die unbewussten Signale, Dinge wie "Wer sitzt im Meeting wo?", das physische Ausdrücken von Stand und Positionen, der Anwesenheitskult und das Schreibtischbewachen treten zugunsten von Sachbezogenheit zurück.

Das Unternehmen entfernt sich vom Organigramm, kann stärker zu einem Netzwerk werden. Unterstützen Sie diese Entwicklung mit unternehmensweiten Plattformen, einem "schwarzen Brett", virtuellen Pausenräumen oder Peer Coaching, gemeinsamen Gruppen zum Lern- und Erfahrungsaustausch.

Führung remote: Reden, Rhythmus, Rituale

Für die Führung bedeutet das Beschriebene:

  • Vorbild sein: Führungskräfte sind starke Wirkfiguren, ihr Beispiel ist wichtig. Initiieren Sie offizielle und informelle Austausche, halten Sie den Kontakt, suchen Sie die Beziehungsebene. Das zeigt Ihren Teammitgliedern, dass sie dasselbe tun dürfen und sollen.
  • Rituale einführen: Initiieren Sie regelmäßige Teamcalls, schaffen Sie eine Struktur. Auch wenn es nicht jedesmal viel zu sagen gibt: Es ist wichtig, sich zu hören und zu sehen. Kommunikation ist mehr als der Austausch von Sachinformationen.
  • Sich bewusst sein: Als Führungskraft sind Sie in der offiziellen Kommunikationslinie. Sind Sie im Büro, steht das Management auch mal in der Tür. Die Mitarbeitenden sehen das nun nicht mehr, können nicht mehr aktiv nachfragen. Machen Sie sich einen Zettel, welche Infos Sie beim nächsten Teamcall weitergeben sollten.
  • Inetgrieren: Gibt es Mitarbeitende in der Organisation, die keinem Team angehören, denen der Anschluss fehlt? Diese Kolleg*innen dürfen nicht außen vor bleiben.
  • Rhythmus schaffen: Die verhaltensorientierte Führung weicht einer Führung über Ziele. Setzen Sie gemeinsam Ziele - mit dem Team, mit einzelnen Mitarbeitenden. Sprechen Sie darüber, was es braucht, um die Ziele zu erreichen. Schnüren Sie gemeinsam Aufgabenpakete. Bringen Sie das Team durch Zeitintervalle in einen gemeinsamen Rhythmus.
  • Beziehungen führen: Führen Sie nicht die Menschen. Führen Sie die Beziehungen zwischen den Menschen - und die Beziehung zwischen den Themen. Bringen Sie Leute zusammen. Stellen Sie Zusammenhänge her.

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