Homeoffice und Remote-Arbeit: E-Mail-Flut, Kuddelmuddel und die Beziehungsebene

Veröffentlicht am 21. 5. 2020 von Vanessa Giese

In den vergangenen Wochen habe ich gemeinsam mit der Agentur ProContent mehrmals das Webinar "Homeoffice - sich und andere organisieren" gegeben. In den ingsgesamt zehn Terminen habe ich nicht nur meine Erfahrungen weitergegeben, sondern auch Einiges gelernt. Das möchte ich mit Ihnen teilen. 

Wir wurden in die Situation hineingeworfen: Kontaktbeschränkungen, Vorsichtsmaßnahmen, ab morgen Homeoffice - für alle. In den meisten Organisation war erstmal Durcheinander: Wie genau, wer, wann, mit welchen Geräten? Viele andere Fragen tauchten auf.

Jede Veränderung startet mit Chaos

Falls in Ihrer Organisation erstmal Chaos herrschte: sehr gut, alles im grünen Bereich. So ist das immer, wenn wir mit einer ungewohnten Situation konfrontiert sind. Ich habe Ihnen das auf dem Bild oben aufgemalt.

Veränderung bedeutet erstmal: Kuddelmuddel auf allen Ebenen

Wenn plötzlich etwas Neues auf uns zukommt, ist das Kuddelmuddel erstmal groß, auf allen Ebenen. So ist das auch beim plötzlichen "Homeoffice für alle": Die Organisation muss sich sammeln, Geräte und VPN-Zugänge bereitstellen, Betriebs- und Arbeitszeitvereinbarungen überdenken, Kommunikationskanäle einrichten.

Doch nicht nur der Organisation geht es so: Auch auf Ebene der Teams, bei jedem Einzelnen und im Umfeld jedes Einzelnen herrscht zunächst Kuddelmuddel. Die gewohnten Routinen brechen weg, innerlich wie äußerlich fehlt erstmal der Rahmen. Die Orientierung ist fort, das Koordinatensystem muss neu justiert werden.

In jeder Veränderungssituation gilt: Das Gras wächst nicht schneller, indem man dran zieht. Dinge brauchen Zeit, um sich auszuwachsen. Denn alle Beteiligten vollbringen eine Anpassungsleistung. Mit guter Kommunikation und Führung kann man diese Anpassung unterstützen, aber nur bedingt beschleunigen. Für viele Organisationen geht mit der Remote-Arbeit nämlich auch eine Kulturveränderung einher: weg von der verhaltensorientierten Anwesenheitskultur, hin zu einem ergebnisorientierten Miteinander, das auf Vertrauen basiert. Neben allen praktischen Fragen geht das nicht von Jetzt auf Gleich.

Was habe ich nun in meiner Webinarreihe gelernt, in der ich mehr als 170 Menschen zum Thema "Homeoffice" getroffen habe - und was habe ich an Erfahrungen geteilt?

Die Selbstverpflichtung: Immer erreichbar, ohne Pause

Die Mehrheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer fühlt im Homeoffice eine große Selbstverpflichtung, möchte virtuelle Präsenz zeigen, deshalb möglichst immer erreichar sein und tut sich schwer, Pausen einzulegen. Das zehrt.

Dagegen hilft nur: das Thema "Verfügbarkeit" im Team sprachfähig machen. Sich gemeinsam auf Kernzeiten und auf Mittagspausen einigen. Darüber reden, wie es sich anfühlt, wenn man den anderen nicht ans Telefon bekommt - oder wenn man selbst nicht rangehen kann, weil man gerade das Kind beschult.

Wege aus der E-Mail-Flut

Viele Teilnehmerinnen berichteten auch: "Ich gehe unter in E-Mails." Um die Mailflut einzudämmen, hilft es, sich zu vergegenwärtigen, wann welcher Kommunikationskanal gut ist.

Dabei helfen die Stufen der Zusammenarbeit:

E-Mails sind prima für die standardisierte Kommunikation: für die reine Übermittlung von Informationen, dem Übergeben von Aufgaben, dem Übersenden von Dokumenten. Sobald es in den Dialog geht, sollten Sie umsteigen: auf Chat oder aufs Telefon.

Wirkliche Zusammenarbeit beginnt allerdings erst auf der Ebene der Koordination: wenn Sie Dateien austauschen, gemeinsam an einem Dokument arbeiten, Wissen an einem Ort speichern, der für alle zugänglich ist. Dazu braucht es eine gemeinsame Dateiablage und am besten auch Projektplattformen zur Zusammenarbeit, zum Beispiel Trello, Meistertask oder Microsoft Teams.

Spannend wird es in der Ebene der Kollaboration: Wenn Sie gemeinsam entwickeln, wie Sie zusammenarbeiten, gemeinsam brainstormen, Ideen teilen und aus ihnen etwas Größeres entstehen lassen. Das geht mit Boards wie Mural, Miro oder Stormboard.

Telefon- und Videokonferenzen: Sach- und Beziehungsebene

Die persönliche Kommunikation (Stufe 2 der Zusammenarbeit) läuft nun viel über Telefonkonferenzen. Sie haben einen Nachteil: Sie klammern die nonverbale Kommunikation aus.

Deshalb funktioniert in Telkos übrigens der Sprecherwechsel nicht, und man fällt sich ständig ins Wort: Das Wechseln des Sprechers ist ein Vorgang, der eigentlich komplett nonverbal läuft. Mit Mimik und Gestik, mit Luftholen, Vorbeugen des Oberkörpers, Heben der Hand, Hin- und Herrutschen auf dem Stuhl, unruhigem Schnaufen signalisiert man: "Jetzt komme ich dran!" - und die anderen stellen sich darauf ein.

Verbale und nonverbale Informationen

Die 7-38-55-Regel ist viel zitiert, auch in Managementseminaren. Sie besagt: Wenn uns jemand etwas sagt, nehmen wir lediglich sieben Prozent der Informationen über die mitgeteilten Wörter auf. 38 Prozent der Informationen entnehmen wir der Stimme, der Intonation, also der Art und Weise, wie unser Gegenüber mit uns spricht. 55 Prozent, mehr als die Hälfte der Informationen, ist nonverbal: Mimik, Gestik, Geruch, Haptik.

Die Studie geht auf den iranisch-amerikanischen Psychologen Albert Mehrabian von der University of California in Los Angeles zurück. Und: Sie stimmt so nicht. Denn Mehrabian hat lediglich untersucht, wie wir damit umgehen, wenn unser Gegenüber seine Emotionen ausdrückt - und wenn die Informationen zu diesen Emotionen sich wiedersprechen: Der Probant sagte "schön" - drückte allerdings mit seiner Mimik und der Art und Weise, wie er sprach, das Gegenteil aus.

Das Ergebnis des Experiments: Die Bewertung der Stimme fließt 4,5-mal stärker in die Gesamtbewertung der übermittelten Information ein als die verbale Aussage. Die Mimik ist nochmal 1,5-mal bedeutsamer als die Stimme. Das gilt aber nur für Aussagen zu Befindlichkeiten.

Wer mehr wissen will: Mehrhabian erklärt es genau in einem Interview bei der BBC, ab Minuten 23:10.

Für Telko und Viko bedeutet das: Die Telefonkonferenz eignet sich wunderbar für Sachinformationen. Beispielsweise um zu klären: Wer tut was bis wann?

Sobald Befindlichkeiten hinzukommen oder ein Thema zweischneidig ist, sollten Sie das Bild hinzunehmen und auf Videokonferenz umsteigen. So können Sie Stirnrunzeln, Langeweile oder Zustimmung besser erkennen.

In meinen nächsten Beitrag zur Remote-Arbeit erzähle ich, wie Sie Telefon- und Videokonferenzen gut moderieren.

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