Sich selbst führen ist mehr als Zeitmanagement - und die Grundlage für Entwicklung und Wandel

Veröffentlicht am 20. 1. 2021 von Vanessa Giese

Bild "Balance" von Unsplash

Ich werde oft nach Tipps zum Zeitmanagement gefragt. Dabei geht es meist um die Frage: Wie führe ich mich selbst - durch die Arbeit und durchs Leben?

Allerdings ist Zeitmanagement meist nur ein Symptom. Dahinter liegt die Fähigkeit, sich selbst zu führen. 

Was heißt es zu führen?

 

Lassen Sie uns zunächst auf den Begriff "Führung" schauen. Sowohl, wenn es darum geht, andere zu führen, als auch in der Führung der eigenen Ziele und Wünsche bedeutet führen, die Richtung der Bewegung zu beeinflussen:

  • die Richtung des Denkens und
  • die Richtung von Entwicklung

Damit wir die Richtung von Bewegung beeinflussen, müssen wir stabil in uns selbst sein. Nur, wer in Balance ist und das Gleichgewicht halten kann, ist in der Lage, Geschwindigkeit aufzunehmen, dabei Hindernissen auszuweichen und trotzdem in der Spur zu bleiben.

Selbstführung ist mehr als Zeitmanagement

Meine Kunden und Gesprächspartnerinnen haben oft das Gefühl zu trudeln: Die Aufgaben stapeln sich, ihre Terminkalender sind voll, sie verzetteln sich. Sie sind hin- und hergerissen zwischen den Anforderungen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an sie stellen, den Wünschen der Vorgesetzten und der Kundinnen und Kunden. Sie haben das Gefühl, ihre Zeit reiche nicht aus, sich allem angemessen zu widmen. Sie suchen nach Tipps für ihre Zeitmanagement.

Sich selbst zu führen und in der Balance zu halten, ist aber mehr als Zeitmanagement. Um das zu erklären, hole ich etwas aus.

Innere Balance bei Druck und Unsicherheit

Selbstführung hat viel mit der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit zu tun.

Wir alle haben strukturelle Persönlichkeitsmerkmale, sich wiederholende Muster, in denen sich grundlegende Zusammenhänge zwischen uns und unserer Umwelt widerspiegeln. Die Entwicklungspsychologin Jane Loevinger unterscheidet vier Merkmale. Für jedes Merkmals gibt es verschiedene Stufen der Entwicklung.

  • Unser Charakter bestimmt, wie unabhängig wir von der Meinung anderer handeln können. Menschen auf höheren Entwicklungsstufen haben eigene Maßstäbe und agieren selbstreguliert. Niedrigere Stufen orientieren sich an anderen.
  • Unser interpersonaler Stil bestimmt, wie gut wir mit Menschen umgehen können, die eine andere Meinung haben als wir. Menschen auf höheren Stufen der Ich-Entwicklung erkennen die Autonomie des Gegenübers an und haben Handlungsmechanismen, sich mit ihm auseinander zu setzen. Mittlere Stufen können andere Wahrheiten nur schwierig anerkennen, fühlen sich dadurch in ihrem Innersten bedroht.
  • Unser Bewusstseinsfokus bestimmt, wie sehr wir uns selbst wahrnehmen und wie gut wir diese Wahrnehmung in Handeln übersetzen können. Menschen, deren Bewusstseinsfokus weit entwickelt ist, reflektieren Kritik, können ihre Gefühle wahrnehmen und daraus lernen.
  • Unser kognitiver Stil bestimmt, wie gut wir verschiedene Perspektiven einnehmen und in unser Handeln einbeziehen können. Das meint auch, dass wir unterschiedliche Wahrheiten, die sich widersprechen, integrieren können, ohne dass wir uns verlieren.

Wer gut darin ist, sich selbst zu führen, hat sich von der Meinung anderer frei gemacht und orientiert sich vor allem an sich selbst. Dennoch hört er auf Kritik, bezieht verschiedene Perspektiven in sein Handeln ein, reflektiert seine inneren Zustände und entwickelt sich dadurch weiter. Dadurch entsteht innere Balance.

Wenn ich mich selbst führe, kann ich nicht nur Regeln einhalten und diszipliniert arbeiten. Ich kann auch bewusst von den Regeln abweichen und sie aufbrechen, ohne mich und meine Haltung zu verlieren. Bezogen auf Zeitmanagement bedeutet es: Ich kann das, was von außen an mich herangetragen wird, bewerten, ordnen, priorisieren und mich positionieren.

Damit wir Entwicklungsstufen erklimmen, uns in unserer Persönlichkeit und in unserer Fähigkeit zur Selbstführung entwickeln, braucht es immer Anregung von außen.

Wandel bedeutet: Die Fähigkeit zur Selbstführung fördern

Wenn Unternehmen im Wandel sind, haben sie den Wandel der Strategien, der Prozesse und Abläufe und die Anpassung personeller Ressourcen im Blick - aber selten, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrer Ich-Entwicklung und ihrer Selbstführungskompetenz zu fördern.

Um sich als Organisation zu entwickeln und Unsicherheit auszuhalten, braucht es Führungskräfte, die mit sich selbst in Balance sind, multiperspektivisch denken und Regeln hinterfragen - und die diese Kompetenz an ihre Mitarbeiterinnen weitergeben. Daraus entsteht die Fähigkeit, das eigene Handeln im Kontext der Organisation zu sehen, Eigeninteresse und das Interesse des Unternehmens in Einklang zu bringen, Konflikte selbstständig zu klären und Entscheidungen zu treffen. Das ist die Grundlage von Innovation und Zukunftsfähigkeit.

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Kommentare

  • Jens21.Jan.2021

    Liebe Vanessa, toller Artikel, trifft genau den Kern. Herzliche Grüße aus Hamburg, Jens


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