Agile Leipzig - Zwei intensive Tage Agilität: User Stories und Anforderungsmanagement, Führung mit OKR und Alternativen zur Wasserfallhierarchie

Veröffentlicht am 26. 11. 2018 von Dr. Vanessa Giese

Der Veranstaltungsort: Das Spinlab in der Alten Baumwollspinnerei in Leipzig-Plagwitz

Mein zweites Agile-Barcamp in Leipzig liegt hinter mir und ich habe wieder viel gelernt.  Es gab Sessions und Keynotes zu Organisationsentwicklung und Teamarbeit, zu Führung und agiler Methodik. Die Highlights.

Das Leipziger Barcamp findet einmal jährlich für zwei Tage statt. Mehr als 200 Menschen aus über 70 Organisationen haben sich in diesem Jahr getroffen und über agile Arbeitsmethoden, Organisations- und Personalentwicklung, Unternehmensführung und -kultur gesprochen. 

Die Hauptthemen, mit denen ich mich beschäftigt haben, waren: User Stories, Unternehmensführung mit objectives and key results und Alternativen zur klassischer Wasserfallhierarchie.

User Stories und narrativer Flow

User Stories, also Nutzergeschichten, sind Anforderungen von Nutzern und Nutzerinnen an ein Produkt, zum Beispiel eine Software. Sie sind in Alltagssprache formuliert und dienen dazu, Kundenwünsche exakter und treffsicherer zu formulieren. User Stories entstehen im Gespräch, zum Beispiel nach der Design-Thinking-Methodik: Der Nutzer erzählt, welche Funktion oder Leistung er sich wünschen.

Formulierung einer User Story

Diese Anforderung schreibt man dann auf eine Karte. Die Ich-Form ist essentiell, damit das Team die Kundensicht immer vor Augen hat und nicht Belange der Organisation vorschiebt. Wichtig ist auch, das Motiv des Wunsches zu erfassen, um den Lösungsraum weit zu halten.

„Als … (Rolle) möchte ich … (Ziel), so dass … (Grund für das Ziel)“.

Beispiel:

„Als Nutzerin des Online-Shops möchte ich die Kleidung nach Farbe auswählen, so dass ich mir passende Outfits zusammenstellen kann.“

Story Mapping

In einer weiteren Session haben wir gemeinsam mit Michael Schmidt erarbeitet, wie Storymaps, also „Geschichtenlandkarten“ dabei helfen können, Anforderungen in die richtige Reihenfolge zu bringen, nach Dringlichkeit und Wichtigkeit zu priorisieren, Spezifikationen zu den einzelnen Anforderungen zu beachten und transparent zu machen.

Skizze aus der Session:

Story Mapping, Skizze von Micha Schmidt. Im rechten, unteren Drittel sind digitale Tools notiert.

Wie das nicht nur als Skizze, sondern in der tatsächlichen Praxis aussieht, kann man auch unter diesem Link sehen. 

Die Anforderungen befinden sich in der ersten Zeile. Unterhalb einer Anforderung wird in der Spalte notiert, welche Details zu der Anforderung gehören. Zur Anforderung „nach Farben filtern“ gehört zum Beispiel,

  • dass die Kleidungsstücke die Metainformation „Farbe“ benötigen, damit ich sie als Kundin überhaupt durchsuchen kann.
  • dass ähnliche Farben so vertaggt sein sollten, dass sie auch bei ungenauer Farbangabe auffindbar sind.
  • dass die Kleidung auch semantisch (also per Worteingabe, z.B. „grüne Jacke“) nach Farben durchsuchbar ist.
  • dass der Algorithmus andere, farblich passende Kleidungsstücke anbietet.
  • ... und so weiter. 

Wir haben uns dann noch weiter damit beschäftigt, wie man priorisiert, welche digitalen Tools es für User Stories gibt und wie sinnvoll deren Einsatz ist. 

Hierarchie, Selbstorganisation und themengetriebene Führung

Stefan Truthän, Geschäftsführer der Brandschutzspezialisten von hhpberlin, berichtete von der Entwicklung seiner Organisation in den vergangenen zehn Jahren. 

Bis dato war das Unternehmen patriarchalisch organisiert, also mit einem Senior an der Spitze und einem klassischen Wasserfall-Organigramm. Der Entscheider wird in diesem Organisationsaufbau zum Flaschenhals.

Stefan Truthän:

Sätze einer patriarchalischen Organisation sind: 

  • Wenn ichs nicht mache, machts keiner. 
  • Muss ich denn hier alles alleine machen?
  • Immer sitze ich hier abends noch!

Stefan Truthän baute das Unternehmen um und steuert es nun themengetrieben. Hierarchie spielt weiterhin eine Rolle, entsteht aber nicht aus Beförderung nach langer Betriebszugehörigkeit, sondern aus der Verantwortung, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernehmen. Wer sich für ein Thema begeistert, treibt es - und bekommt entsprechende Verantwortung. 

Themengetriebene Führung bei hhpberlin

Die Teams arbeiten themengetrieben. Die Führungskräfte vernetzen sich um die Teams herum und sind als "Freie Radikale" Treiber, Wegbereiter, Veränderungsbegleiter. Sie setzen Leitplanken und bauen Entscheidungen auf. 

Stefan Truthän, geschäftsführender Gesellschafter von hhpberlin, erklärt die Entwicklung seiner Organisation.

Stefan Truthäns Meinung nach darf Agilität kein Selbstzweck sein. Agilität, so sagt er, sei nichts anderes als eine robustere, resilientere Organisationsstruktur, die besser für Veränderungen gemacht ist und sich schneller entwickelt. 

Sein Vortrag zeigte, dass auch in der Ingenieursbranche agile Konzepte helfen, Organisationen stressresistenter und wandlungsfähiger zu machen. 

Führung mit OKRs - objectives and key results

Bei der Führung mit objectives and key results geht es - ganz grob - darum, Unternehmensziele festzulegen; Teams leiten sich daraus Teamziele ab. Diese Teamziele werden messbar und transparent gemacht. Das Team richtet sein Handeln danach aus. 

Ziele beschreiben Nutzen und Werte, nicht Funktionen

Die Teamziele beschreiben keine Funktionen und kein Produkt („Wir bauen ein Auto“) - sondern den Wert, den das Team schafft („Wir sorgen für schnellere Fortbewegung“). Welche Mittel das Team wählt und wie am Ende das Produkt aussieht, liegt in den Händen des Teams. Es kann ein Auto dabei herauskommen, aber auch ein Fahrrad. 

OKR bei Holidaycheck

Matthias Gorf von Holidaycheck hat dazu aus dem Unternehmen berichtet und das Modell, so wie Holidaycheck es lebt, vorgestellt.

Matthias Gorf von Holidaycheck erklärt den OKR-Zyklus bei Holidaycheck.

Die Teamziele werden quartalsweise erarbeitet, sind also kurzfristig. Die Teams schlagen sie selbst vor - und auch ihre Messbarkeit. Es gibt dabei verschiedene Hilfestellungen, einen Review-Prozess und natürlich Mittel und Werkzeuge, so dass die einzelnen Teamziele aufeinander abgestimmt sind.

Expertenaustausch zu Teamdynamik, Psychologie und Wissensmanagement

Über diese drei Hauptthemen hinaus gab es natürlich noch andere Sessions: Ich habe mich mit psychologisches Mechanismen in der Veränderung beschäftigt, eine neue Methode für die Teamdynamik kennengelernt, wir haben über Dokumentation und Wissensmanagement gesprochen. 

Das ist es, was ich an Barcamps so schätze: die Zusammenkunft vieler Experten, der offene Austausch und das konkurrenzlose Voneinander-Lernen. Wenn Sie auch Lust auf dieses Konferenzformat haben, schauen Sie mal in die Barcamp-Liste. Dort finden Sie die Barcamps in der DACH-Region.

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