So verbessern Sie Ihr Schreiben – eine Antwort an einen Studenten
Ein junger, angehender Journalist schrieb mir jüngst eine E-Mail. Er hatte eines meiner Seminare besucht und fragte mich, wie er sein Schreiben verbessern könne.
Weil meine Ratschläge nicht nur für ihn gelten, hier meine Antwort:
„Allgemeine Tipps, die ich Ihnen geben kann:
Schaffen und nutzen Sie Gelegenheiten zum Üben. Praktika, freie Mitarbeit – die Verbesserung kommt mit der Übung. Die Sprache ist Ihr Werkzeug – und genauso, wie ein Handwerker Zeit braucht, um Perfektion mit seinem Werkzeug zu erlernen, brauchen Sie das auch. Ein Schreiner muss lange bis zu seinem Meisterstück üben: Das ist bei Ihnen auch so und völlig normal. Es dauert halt. Weil die meisten von uns nicht schreinern können, nehmen wir das Lernen des Schreiners als selbstverständlich. Weil wir alle sprechen und schreiben können, denken wir, mit der Sprache sei es einfacher. Ist es aber nicht. Oft ist es übrigens so, dass Sie in kleineren, nicht so angesagten Redaktionen mehr Freiheit und mehr Möglichkeiten haben als in großen, bekannten. Suchen Sie Ihr Übungsfeld also danach aus, wo Sie lernen können – und nicht nach dem Glanz, den es ausstrahlt.
Fordern Sie aktiv Feedback von Ihren Kommiliton*innen, Dozent*innen, Professor*innen, Kolleg*innen ein, auch wenn Sie negative Kritik befürchten. So, wie Sie es jetzt von mir tun. Nur so können Sie besser werden. Leider haben wir in deutschen Redaktionen keine sehr ausgereifte Feedback-Kultur: Entweder bleibt im Alltag wenig Zeit dazu. Oder es wird – beispielsweise bei der Blattkritik – nur lobgehudelt, weil man niemanden persönlich angreifen möchte oder „unter den personellen und technischen Umständen“ ja „nichts anderes möglich“ war. Dabei ist Kritik wichtig, um zu wachsen – und ist in der Regel auch nicht persönlich, sondern bezieht sich auf die Sache.
Stellen Sie sich Ihre Leser*innen und Nutzer*innen vor – nicht als eine gesichtslose Gruppe, sondern als eine Person. Geben Sie ihm/ihr einen Namen oder nehmen Sie eine Person, die Sie kennen: Ihre Schwester, Ihren Großvater, Ihre Mutter, die alleinerziehende Nachbarin. Schreiben Sie für sie – und nicht für das Blatt oder die Website.
Halten Sie sich anfangs an die Regeln. Die Flexibilität kommt von alleine. Mit den Darstellungsformen ist es wie beim Kochen: Erst nehmen Sie streng die Zutaten, wie sie im Rezept stehen. Mit der Zeit merken Sie dann, wie Sie das Ergebnis verbessern können, indem Sie hier und da eine Prise Gewürz mehr oder weniger einstreuen, Zutaten weglassen oder Neues hinzufügen.
Suchen Sie Ihre Stärken. Das Studium und das Volontariat sind eine ideale Möglichkeit, um herauszufinden, ob Ihr Talent eher beim Text oder beim Bild, beim Schreiben, beim Filmen oder beim Hören liegt, ob Sie der bessere Reporter oder der bessere Planer sind. Probieren Sie sich aus. Mir sind bislang wenig Leute untergekommen, die sehr gut schreiben und gleichzeitig sehr gute Filme machen können. Auch Leute, die herausragende Reporter und dazu gute Redaktions- oder Ressortleiter sind, gibt es wenige. Meist schließt sich das aus. Wenn Sie das gefunden haben, was Ihnen liegt (das kann ein paar Jahre dauern), werden Sie darin automatisch gut.
Konkrete Tipps fürs Schreiben:
- Vermeiden Sie „man“ und vermeiden Sie Passivkonstruktionen. Nennen Sie möglichst immer den Verursacher.
- Wenn Sie den Verursacher nicht kennen, fragen Sie sich, ob es mangelnde Recherche ist. Oder ob er tatsächlich nicht bekannt ist.
- Fragen Sie sich: Was ist das Thema? Was ist die Neuigkeit? Was ist wichtig, um das Thema (der alleinerziehenden Nachbarin/Ihrem Onkel/Ihrer Cousine) zu erzählen?
- Seien Sie mutig, wenn es darum geht, Dinge wegzulassen. In der Redigatur spricht man von „Kill your Darlings“ – und so ist es: Lassen Sie weg, was nicht wichtig fürs Thema/die Geschichte ist – angefangen bei Automarken, einzelnen Handlungen bis hin zu Zitaten und ganzen Erzählsträngen bei längeren Texten.
- Suchen Sie das Besondere im Banalen. Auch ein Schützenfest hat Spannendes zu bieten. Das gilt auch und vor allem für Termine, bei denen Sie vor Ort sind.
- Vermeiden Sie Adjektive. Beschreiben Sie Menschen durch ihre Handlungen. Menschen charakterisieren sich nicht dadurch, indem wir ihnen Eigenschaften zuschreiben. Sondern indem sie Dinge tun – und wie sie sie tun. So überlassen Sie gleichzeitig dem Leser/der Leserin die Bewertung des Tuns.
- Lesen Sie gute Texte: Bücher, überregionale Zeitungen (online/offline), gute Blogs. So verfeinern Sie Ihr Gespür für Sprache.
- Bloggen Sie, schreiben Sie Texte ins Internet und testen Sie aus, was gut ankommt, worauf Sie Feedback bekommen, ob die Leute das Gleiche verstehen, was Sie gemeint haben. Das geht auch anonym, zum Beispiel unter wordpress.com, und muss nicht journalistisch sein. Es geht darum, die Arbeit mit der Sprache zu verbessern.“