Das war der Newsletter im Mai: Einstein und wir
Im Newsletter für den Mai habe ich über neue Prozesse und über die Einführung neuer Technik gesprochen - und über den Satz Albert Einsteins: "Ein Problem kann nicht auf derselben Ebene gelöst werden, auf der es entstanden ist."
Im Frühjahr habe ich mich an der Fernuni Hagen mit Mediation und Konfliktlösung beschäftigt. In den Unterlagen und Präsenzseminaren ging es unter anderem um Gesprächstechniken und die Psychologie der Auseinandersetzung. Es sind mir darin zahlreiche lehrreiche Dinge begegnet - darunter die Neuro-Logischen Ebenen der Veränderung von Robert Dilts. Dilts ist NLP-ler, Vertreter der Neurolinguistischen Programmierens - ein Ansatz, den ich auch kritisch sehe. Die Veränderungsebenen erscheinen mir jedoch sinnvoll, weshalb ich sie hier mit Ihnen teilen möchte.
Die sechs Ebenen der Veränderung
Dilts benennt sechs Ebenen, die uns ausmachen und auf denen wir eine Veränderung anstoßen können:
- Zugehörigkeit. Die Zugehörigkeit bestimmt, womit wir uns verbunden fühlen: örtlich, geistig und sozial, zum Beispiel in Hinblick auf unseren Status. Es geht um Heimat, Lebensaufgabe, Lebensinn und die eigene Mission. Die Zugehörigkeit beantwortet die Fragen "Mit wem?", "Für wen?". Auf ihr ergänzen wir den Satz "Ich gehöre zu ..."
- Identität. Bei der Identität geht es um die eigene Rolle und die Wahrnehmung, die wir von uns haben. Die Ebene der Identität ergänzt den Satz: "Ich bin ..."
- Werte und Motive. Sie bestimmen unsere Motivation und unsere Interessen. Sie geben uns ein Ziel. Werte und Motive stellen die Frage "Warum?" und ergänzen die Sätze "Ich glaube ..." und "Ich will ..."
- Fähigkeiten. Sie beschreiben die Strategie, mit der wir unsere Ziele erreichen und unsere Aufgaben erledigen. Bei den Fähigkeiten geht es ums "Wie?". Der passende Satz lautet: "Ich kann ..."
- Verhalten. Das Verhalten ist die Ebene des Agierens, des Handelns - das, was wir tun. Es beantwortet die Frage "Was?"
- Umwelt. Auf der Umweltebene geht es um unser Reagieren, wie wir auf unser Umfeld antworten und Position beziehen. Die Frage, die hier im Mittelpunkt steht, ist "Wo?" und "Wann?"
Nun wird es spannend. Denn nach Dilts stehen die Ebenen in Abhängigkeit zueinander: Die obere Ebene bestimmt die untere. Das bedeutet: Mein Empfinden, zu wem und zu was ich gehöre, was meine Lebensaufgabe und meine geistige Heimat ist, beeinflusst, als wen ich mich sehe, wer ich bin. Meine Vorstellung davon, wer ich bin, beeinflusst meine Interessen. Meine Interessen nehmen Einfluss auf die Fähigkeiten, die ich mir aneigne. Was ich will und kann, bestimmt mein Verhalten.
Albert Einstein sagt nun: Wenn es einen Grund zur Veränderung, eine Herausforderung oder ein Problem gibt, kann dieses Problem nicht auf derselben Ebene gelöst werden, auf der es entstanden ist. Um das näher zu erklären, möchte ich kurz ausholen und über den Unterschied zwischen Positionen und Interessen sprechen.
Der Unterschied zwischen Positionen und Interessen
Positionen beantworten die Frage: Was möchte ich? Stellen wir uns dazu folgende Situation aus dem Arbeitsleben vor: Eine Mitarbeitern weigert sich, mit einem neuen technischen System zu arbeiten. Sie vermeidet die Arbeit mit der neuen Technik, wo es nur geht. Sie möchte ihre alte Arbeitsweise beibehalten.
Zwischenfrage: Was ist ihr erster Gedanke? Kennen Sie auch solch eine Mitarbeiterin oder einen Kollegen? Was empfinden Sie ihr oder ihm gegenüber?
Bei Positionen geht es also darum, was ein Mensch möchte. Interessen schauen hinter die Positionen und beantworten die Frage: Warum möchte der Mensch, was er möchte? Bleiben wir dazu bei unserem Beispiel und lassen Sie uns überlegen, warum die Mitarbeiterin ihre alte Arbeitsweise beibehalten möchte.
Überlegen Sie für sich, was die Mitarbeiterin oder Kollegin antreiben könnte. Erschwernis: Adjektive wie "stur" und "technikfeindlich" und einen Verweis auf ihr Alter lasse ich nicht gelten.
Ich nennen Ihnen ein paar Möglichkeiten, die mir allesamt schon in in ähnlichen Fällen und in Veränderungsprozessen begegnet sind:
- Die Frau empfindet die Neuerung als Herabwürdigung ihrer bisherigen Tätigkeit, die sie über viele Jahre per Hand und fehlerlos erledigt hat - und die plötzlich nichts mehr wert ist.
- Sie hat Angst vor den technischen Herausforderungen und möchte sich vor der jungen Kollegenschaft wegen ihrer geringen Kenntnisse nicht blamieren. Sie fühlt sich abgehängt und hilflos.
- Sie erkennt die Eingabefelder am PC schlecht, weil die Schrift klein und ihre Gleitsichtbrille fürs Lesen zwar gut, für die Arbeit am Bildschirm aber nicht optimal ist.
- Sie hat Vorbehalte gegen die neue Abteilungsleiterin, die das System als ihr großes, persönliches Projekt eingeführt hat, sich ihr aber nicht einmal persönlich vorgestellt hat.
Wenn wir die Mitarbeiterin nun dazu bewegen möchten, ihr Verhalten zu ändern, bringt es nichts, lediglich auf der Ebene des Verhaltens anzusetzen. Wir müssen die Ebene wechseln und ihre Interessen ergründen, ihre Fähigkeiten, ihre Werte und ihr Selbstverständnis. Nur so erkennen wir die oben genannten Motive und können den Lösungsraum vergrößern.
Warum viele Prozessveränderungen nicht die gewünschte Wirkung zeigen
Bei Veränderungen in Unternehmen geht es viel um Prozesse und Abläufe, also um Verhalten. Die meisten Veränderungsprojekte bleiben dabei allerdings auf der Prozessebene. Oft wird nur ein neuer Prozess, also ein neues Verhalten, implementiert, ohne die anderen Ebenen der Veränderung zu hinterfragen. Das führt nicht selten zum Scheitern.
Wenn wir aber weitergehen und fragen: Welche Positionen bestimmen das Verhalten? Welche Überzeugungen und Interessen liegen dem zugrunde? Welche Fähigkeiten und Möglichkeiten? Dann ist Veränderung nachhaltig und erfolgreich. Denn: Ein Problem kann nicht auf derselben Ebene gelöst werden, auf der es entstanden ist.
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