Bonus killt Motivation
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Viele Firmen arbeiten mit Bonuszahlungen: Ein Teil der Vergütung ist leistungsabhängig und an Ziele geknüpft. Ich bin ein großer Fan von Zielen, aber kein Fan von Bonuszahlungen. Neun Gegenargumente.
Seit mehr als zweieinhalb Jahren begleite ich nun Teams und Organisationen dabei, sich weiterzuentwickeln.
Jeder hat persönliche Ziele, wenige kennen die Strategie des Unternehmens
Wenn ich Menschen frage, was die Strategie des Unternehmens ist, für das sie arbeiten, wissen sie oft keine Antwort. Das Firmenziel für die nächsten drei Jahre? Nicht bekannt. Wenn ich sie frage, ob ihr Team Ziele hat, gucken sie verdutzt. "Wir machen einfach jeder unsere Arbeit."
Für sich selbst haben sie immer berufliche Ziele. Diese Ziele haben allerdings oft nichts mit dem Unternehmen zu tun.
Ziele im Dreischritt
Ich bin eine Freundin von Zielen und vom Reden über Ziele.
- Langfristige Ziele machen die Unternehmensstrategie greifbar und geben die Richtung vor. Sie sollten den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bekannt sein. Wo will das Unternehmen in drei bis fünf Jahren stehen? Und davon abgeleitet in einem Jahr?
- Drei-Monats-Ziele helfen Teams, die große Unternehmenstrategie in den Arbeitsalltag zu übersetzen. Das ermöglicht eigenverantwortliches Handeln und Entscheiden jedes Einzelnen.
- Abgestimmte persönliche Ziele ermöglichen es Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sich im Einklang mit dem Unternehmen zu entwickeln.
Langfristige Ziele sind Aufgabe des Managements.
Bei Drei-Monats-Ziele habe ich gute Erfahrung gemacht, wenn Teams sie sich selbst setzen - in Abstimmung mit der Teamleitung und dem Management.
Die persönlichen Ziele liegen in der Verantwortung jedes Teammitglieds; jeder und jede ist verantwortlich dafür, sich zu weiterentwickeln. Die persönliche Entwicklung sollte allerdings zur Unternehmensstrategie passen. Schon allein deshalb ist wichtig, dass Mitarbeiterinnen über sie Bescheid wissen.
Neun Argumente gegen Zielvereinbarungen mit Bonuszahlungen
Die meisten Unternehmen arbeiten - gerade, wenn das Gehalt frei verhandelt wird - mit Zielvereinbarungen. Erreicht die Mitarbeiterin das Ziel, bekommt sie Extra-Geld. Das soll bewirken, dass sie eine bessere Leistung erbringt.
Tatsächlich ist es so, dass variable Vergütungen demotivieren.
- Möhre vor der Nase. Eine leistungsabhängige Vergütung geht davon aus, dass es einen äußeren Anreiz braucht, damit Mitarbeiter das tun, was sie sollen: gute Arbeit erbringen. Die meisten Menschen sind jedoch intrinsisch motiviert: Sie kommen für die Sache ins Unternehmen - für spannende Projekte, gute Kollegen, aus Interesse an der Tätigkeit und weil es interessante Entwicklungsmöglichkeiten für sie gibt. Das Gehalt muss stimmen - es ist aber nur ein Faktor beim Entschluss, eine Stelle anzunehmen. Die Zufriedenheit steigt nicht mit dem Geld.
- Variable Vergütung wird schnell selbstverständlich. In Gehaltsverhandlungen drückt der Arbeitgeber oft das Grundgehalt, dafür wirbt er mit variabler Vergütung. Doch selbst, wenn nicht: Die Mitarbeiter nehmen die variable Vergütung als selbstverständlichen Gehaltsbestandteil wahr. Sie verplanen das Geld wie das übliche Gehalt - zum Beispiel für Erholungsurlaub oder für notwendige Anschaffungen.
- Bonus killt Motivation. Fällt die zusätzliche Vergütung dann weg, nehmen die Mitarbeiter dies als Gehaltskürzung wahr. Dass das Unternehmen den Bonus per Vertrag freiwillig zahlt, spielt dabei keine Rolle. Variable Vergütung motiviert also nicht, wenn sie da ist - stattdessen demotiviert sie, wenn sie fehlt.
- Keine Kontrolle. Liegen die vereinbarten Ziele außerhalb des Einflussbereichs der Mitarbeiter, demotivieren sie ebenfalls. Das Management sieht dabei nicht unbedingt, dass Mitarbeiter das Erreichen der Ziele nicht selbst in der Hand haben - weil die Hindernisse tief im operativen Geschäft liegen und durch Strukturen gehemmt sind, die das Management selbst nicht erlebt.
- Doppelte Arbeit. Ziele werden meist im Eins zu Eins vereinbart - zwischen Führungskraft und Mitarbeiterin. Deshalb gibt es selten Transparenz über alle Ziele im Unternehmen. Es kann sein, dass zwei Leute an derselben Sache arbeiten - ohne Kontakt zum jeweils anderen. Oder dass sie entgegengesetzte Ziele haben. Treffen diese Menschen und ihre Motivationen aufeinander, gibt es Konflikte - ohne dass sie die Ursache herausfinden können. Denn die Unternehmenskultur sieht Stillschweigen vor.
- Kurze Halbwertzeit. Ich erlebe oft, dass vereinbarte Ziele eine geringe Halbwertzeit haben. Sie werden ein halbes, oft ein ganzes Jahr im Voraus vereinbart. Markt, Technologie und die Organisation wandeln sich aber so schnell, dass der Fokus binnen weniger Monate wechselt. Die Folge: Die Leute versuchen, die Ziele trotzdem zu erreichen - und tun Dinge, die dem Unternehmen nichts nützen. Denken sie mit und passen sie ihre Arbeit an, riskieren sie ihre Bonuszahlungen.
- Aktionismus zu Jahresmitte und Jahresende. Kurz, bevor Zielvereinbarungen fällig sind, nehme ich deshalb oft Aktionismus wahr. Zwischen den Meilensteinen arbeiten die Leute für die Sache, vor den Meilensteinen für die Zielvereinbarung. "Frau Giese, wir müssen noch ...!" - ein Konzept entwickeln, Prozesse optimieren. Was dann schnell entwickelt wird, ist das Papier nicht wert, auf dem es steht. Stattdessen bindet es Ressourcen und produziert Aufwände.
- Es wäre mehr möglich. Was ist eigentlich, wenn die Herausforderung größer ist, als die Zielerreichung es vorsieht? Wenn die Pflicht abgeleistet ist, hat der Mitarbeiter keinen Grund mehr, mehr zu tun. Eigentlich würde er ja - aber für nichts? Auch in diesem Fall tötet die variable Vergütung die intrinsische Motivation.
- Kreativität stirbt. Leistungsabhängige Vereinbarungen lähmen außerdem die Kreativität. Die meisten Aufgaben, die wir heute erledigen, sind keine Routineaufgaben, sondern erfordern stetiges Nachdenken, Entscheiden und kreative Lösungen. Das lässt sich nicht mit Geld erzwingen. Das entsteht durch Autonomie, sinnstiftende Führung und der Möglichkeit, an der Aufgabe zu wachsen.
Transparenz über die Unternehmensziele, über Entwicklungsmöglichkeiten und stimmige Gehaltsstrukturen innerhalb der Organisation sind wichtiger als variable Vergütung.
Wenn Sie Belohnungen geben wollen, dann durch transparente und berechenbare Anreize, gleichmäßig verteilt und als nachvollziehbare und bisweilen auch unangekündigte Würdigung besonderer Leistungen.
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Kommentare
Holger Schlichting20.Jul.2019
Der Artikel bringt sehr gut auf den Punkt, wir kontraproduktiv in dieser Hinsicht immer noch in manchen Unternehmen gearbeitet wird. Das Anreizsystem erzeugt durch sein unausgesprochenes Menschenbild genau das, was es eigentlich lösen will - Self Fulfilling Prophecy.
Ein sehr treffend geschriebener Artikel, wie ich finde.
vanessagiese23.Jul.2019
@Holger: Auf den ersten Blick hört sich das immer gut an. Aber dann kommt es zu den genannten Symptomen. Dennoch ist leistungsabhängige Vergütung in den meisten Unternehmen, die ich kennenlerne, eine heilige Kuh.
Caspar Spee7.Nov.2019
Sehr geehrte Frau Dr. Giese,
meine Arbeit ist in einer völlig anderen Branche. Ich leite in einem mittelständischen Unternehmen die Seepersonalabteilung. Das, was Sie schreiben, ist exakt meine Erfahrung, obwohl es bei uns weniger um Kreativität und auch nicht um viele Entwicklungsmöglichkeiten geht. Mein Ziel ist, Menschen mit intrinsischer Motivation zu finden, das Unternehmen muss dann für ein Auskommen dieser Mitarbeiter sorgen und ihnen Verantwortung übertragen.
Leider bleibt das oft ein Wunsch.
Mit freundlichen Grüßen
Caspar Spee
P.S. Ich bin nur zufällig auf Ihren Artikel zum Motivationskiller gestoßen und wollte Ihnen ein kleines Feedback geben. Weitere Werbung benötige ich nicht, wünsche Ihnen aber (und mir), dass Ihre Argumentation Verbreitung findet.