AgiLeipzig: Zwei Tage mit Design Sprints, alternativen Vergütungsmodellen und Agilität im öffentlichen Dienst
Sessionplanung beim AgiLeipzig, dem Barcamp für Product Management, Development und Leadership
Zwei Tage, zwei Keynotes, sechs Sessions und den Kopf voller Ideen - beim Agile Barcamp in Leipzig habe ich wieder viele Impulse für meine Arbeit bekommen. Dieses Jahr ging es um Kanban, Teampersönlichkeiten, neue Vergütungsmodelle und die schnelle Entwicklung von Prototypen in Design Sprints.
New Pay und alternative Vergütung
Was ist Leistung und wie wollen wir sie gerecht entlohnen? Das war die Leitfrage der Keynote von Nadine Nobile. Sie hat gemeinsam mit Kollegen Unternehmen besucht, die alternative Vergütungsmodelle etabliert haben. In Leipzig berichtete sie vom Für und Wider von Einheitsgehältern, Wunschgehältern und so genannten "Gehaltscheckern". Das sind Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die sich gemeinsam mit dem Management um Gerechtigkeit in Gehaltsstrukturen bemühen.
Wenn Menschen das Verfahren, wie Geld verteilt wird, als konsistent und widerspruchsfrei wahrnehmen, empfinden sie eine höhere Gerechtigkeit.
Nadine Nobile
Die Firma //seibert/media, so Nobile, habe zum Beispiel ein Einheitsgehalt. Nachdem dies schon einige Zeit Praxis gewesen sei, habe sich ein Mitarbeiter mit langjähriger Erfahrung zu Wort gemeldet: Es könne nicht sein, dass er das Gleiche bekomme wie seine jungen Kolleginnen. Darauf wurde eine Gehaltsstufe eingezogen. In der Konsequenz zogen sich die jungen Menschen aus der Verantwortung zurück: "Warum sollen wir in Projekten die Verantwortung tragen, wenn Andere viel mehr Geld bekommen?" Das Unternehmen ist daraufhin wieder zum Einheitsgehalt zurückgekehrt. Es überprüft allerdings regelmäßig, ob es noch zur Strategie passt.
Nadine Nobile nennt sieben Dimensionen von New Pay:
- Fairness
- Selbstverantwortung
- Wir-Denken
- Partizipation
- Transparenz
- Flexibilität
- Permanent Beta
Sie alle spielen eine Rolle, wenn es darum geht, sich selbst und die eigene Leistung gegenüber Kollegen in eine Beziehung zu setzen: Welche Verantwortung übernehme ich für die Wertschöpfung der Organisation? Welche Rolle spielt die private Situation? Möchte ich mehr Urlaub oder mehr Geld? Bekommt nur derjenige mehr Geld, der sich am besten verkaufen kann?
Fazit: Eine spannende Session, die zwar keine Lösung bot - dafür viele Einblicke.
Die Deutsche Bahn und der DB Streckenagent im Google Design Sprint
Die DB Systel, der IT-Dienstleister der Deutschen Bahn, gab Einblicke in ihre agile Arbeitsweise: Tobias Friedrich berichtete von Verbesserungen am DB Streckenagenten. Die App informiert über Störungen im Bahnverkehr, über Schienenersatzverkehr und alternative Routen - war dabei aber lange Zeit zu langsam. In einem fünfschrittigen Design Sprint entwickelte ein Team innerhalb einer Woche eine praktikable Lösung mit Prototypen, den sie testete und der danach ohne Umwege in die Umsetzung ging.
Der Design Sprint: Ein Problem, fünf Tage, ein Prototyp
Ein Design Sprint dauert eine Woche. Am Montag geht es darum, das Problem zu verstehen. Am Dienstag skizziert das Team Lösungen. Am Mittwoch bewertet das Team die Lösungen, entscheidet sich für eine und setzt ein Storyboard auf. Der Donnerstag ist der Tag des Prototypens. Am Freitag testet das Team den Prototypen mit Nutzern.
Die Methode hat während der Sprint-Woche 32 Personentage gebunden, war damit am Ende aber ressourcenschonender, als die Lösungssuche neben dem Tagesgeschäft laufen zu lassen.
Fazit: Aus meiner Sicht eine gute Ergänzung zum Design Thinking. Die Methoden sind eng verwandt. Der Google Design Sprint ist deutlich fokussierter, damit allerdings auch limitierter. Das kann mal Vorteil, mal Nachteil sein.
Agilität in der Anstalt: Wie der MDR Prince2 und agile Softwareentwicklung miteinander verbindet
Der MDR ist als öffentlich-rechtliche Anstalt an Vergaberichtlinien gebunden. Außerdem war das Haus bislang traditionell, was seine Arbeitsweisen anging: Klassisches Projektmanagement war das Maß der Dinge.
Die Prince2-Methodik kommt jedoch an Grenzen, wenn das Projekt komplex und nicht vorhersagbar ist - wie die Einführung von Resy, einer crossmedialen Redaktions- und Planungssoftware mit mehr als 30 Schnittstellen und zunächst unklaren Anforderungen.
Der MDR tastete sich gemeinsam mit seinem Dienstleister langsam in die agile Welt vor, ging von Arbeitspaketen in Sprints über, veränderte Rollen und leistete viel Übersetzungsarbeit zwischen den Welten und den Beteiligten. Nach 50 Zwei-Wochen-Sprints konnte das Team die erste Softwareversion ausliefern.
Öffentliche Vergabe trifft auf agile Vertragsanforderungen
Eine zentrale Fragestellung, die noch nicht abschließend gelöst ist, sind Vertragsmodelle: Wie kann eine öffentlich-rechtliche Anstalt Verträge gestalten, wenn zu Beginn des Projekts noch nicht alle Anforderungen geklärt sind? Ersetzen Dienstleistungsverträge hier Werkverträge? Wie schaffe ich Rechtssicherheit? Welche Projektrollen sind in der Firma zu halten - und welche können extern besetzt werden?
Fest steht: Der Einkauf muss offen für dieses Thema sein und selbst aktiv nach Lösungen suchen.
Fazit: Prince2 agile bietet Ansatzpunkte, um klassisches Projektgeschäft mit Agilität zu verbinden. Das werde ich mir genauer ansehen.
Weitere Sessions: Personal Maps und Persönlichkeiten in der Veränderung
Darüber hinaus habe ich Methoden gelernt, die ich in der Teamentwicklung anwenden werde: Personal Maps helfen, die Beziehungsebene der Teammitglieder zu gestalten und so eine bessere Zusammenarbeit zu gestalten. Mit Managementberater Conrad Giller habe ich mich über Persönlichkeiten bei Organisationsveränderungen ausgetauscht. Gunter Dueck sprach über das Denken im klassischen Management und in der Agilität, über Effizienzsteigerung, Wissensarbeit und über Studien zu Autismus-Quotienten bei Führungskräften und Mitarbeitern. Außerdem diskutierten wir mit Kanban-Coach und Agility Coach Rolf Irion Einsatzfelder von Kanban, besonders zusammen und in Abgrenzung mit agilen Arbeitsformen wie Scrum.
Das Agile-Barcamp in Leipzig findet einmal im Jahr statt. Die Veranstalter organisieren den Rahmen des Events: Räume, zwei Keynote-Speaker, Catering und Materialien. Die Themen bringen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen selbst mit. Deshalb heißen die Besucher eines Barcamps auch "Teilgeber": Sie geben Teile ihres Wissens und ihrer Erfahrung an andere ab.
Das Leipziger Barcamp hat 200 Teilnehmer von mehr als 70 verschiedenen Firmen. Dieses Jahre waren darunter: Allianz, MDR, Deutsche Bahn, Axel Springer, TUI, Leipziger Verkehrsbetriebe, Siemens, Rewe Digital und viele weitere. Es geht darum, gemeinsam voneinander zu lernen.